Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs spricht sich für eine strikte Auslegung des Umweltrechts aus!
„Eine Verschlechterung im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) könne auch dann festzustellen sein, wenn sich nur die Werte innerhalb einer Kategorie veränderten, aber die Einstufung nicht berührt sei“, so heißt es in den Schlussanträgen des Generalanwalts Niilo Jääskinen vom 23. Oktober 2014 zum Rechtsstreit um den Weserausbau bezüglich der Auslegung der WRRL zum Verschlechterungsverbot für Oberflächenwasserkörper (OWK). Dazu merkt der Generalanwalt an, dass die Verwirklichung des Ziels der WRRL gefährdet sei, „wenn man den Begriff der Verschlechterung“ lediglich „unter dem Gesichtspunkt der Stufen beurteile […]“ (gemeint sind die Klasseneinstufungen der fünf Zustandskategorien, nach Pkt. 103., Teil IV – Würdigung, EuGH, Az. C-461/13).
Hintergrund des Rechtsstreits
Die Umweltorganisation BUND klagt derzeit vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gegen die Pläne der Wasser- und Schifffahrtsdirektion zur Weservertiefung. Der BUND sieht den Ausbau für größere Containerschiffe als überflüssig an, da es keinen schlüssigen Beleg für den Bedarf einer Vertiefung der Unterweser (Mündung bis Bremen) gibt. Zudem gelte der Ausbau als Verstoß gegen deutsches und europäisches Naturschutz- und Wasserrecht (siehe Website des BUND-Stichwort: Weservertiefung). „Das Ausbaggern führe zu gravierenden Schädigungen des Ökosystems der Weser und der angrenzenden Marschen […]“ so der BUND. Die Auswirkungen des Ausbaus verschlechtern damit den ökologischen Zustand des Fließgewässers (siehe BUND: „Wirkung der Weservertiefung auf die Natur“, PDF). Der geplante Ausbau steht damit im direkten Widerspruch zum Verschlechterungsverbot der WRRL. Ob das Vorhaben unter das allgemeine Verbot der Verschlechterung des Zustands von Wasserkörpern fällt oder ob es nach Artikel 4 der Wasserrahmenrichtlinie nach dem vorgesehenen Ausnahmensystem genehmigt werden kann, hat das BVerwG in Leipzig zu entscheiden. Dieses bat in dem Fall des Weserausbaus den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bei der Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie 2000/60 um Hilfe, der über Vorlagefragen des BVerwG zu entscheiden hat.
Unklarheiten innerhalb der Wasserrahmenrichtlinie
Strittig und undeutlich ist in dem Rechtsstreit die Definition der Zustandsverschlechterung (nach Art. 4, Abs. 1, Buchst. a, Ziff. i der WRRL). Der Jurist Niilo Jääskinen bemerkt dazu eingangs in seinen Schlussanträgen (nach Pkt. 4., Teil I – Einleitung, EuGH, Az. C-461/13), dass die WRRL einen komplexen und besonders hochentwickelten Rechtsakt darstelle, dessen Verständnis außergewöhnlich schwierig sei. Dazu zählt nach Jääskinen neben vielen Verweisen von einer Bestimmung auf die andere und auf sonstige Rechtsakte, die Schaffung mehrerer Ausnahmen, deren Tragweite nicht klar bestimmbar ist.
Vor diesem Hintergrund argumentiert der Generalanwalt dass die WRRL die „zwingende Verpflichtung“ enthalte, der Verschlechterung der Gewässer entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob sich das Verbot der Zustandsverschlechterung auf eine Klassenverschlechterung innerhalb der fünf Zustandskategorien bezieht oder ob bereits Verschlechterungen innerhalb der gleichen Zustandsklasse, die nicht zu einer anderen Klasseneinstufung führen, ebenfalls unter das Verbot zählen. Zu diesem Sachverhalt schlägt der Generalanwalt vor, den „[…] Begriff der Verschlechterung im Hinblick auf einen Stoff oder eine Qualitätskomponente auszulegen […], ohne dass die nachteilige Veränderung zwingend zu einer Veränderung der Einstufung führen muss.“ (Pkt. 109., Teil IV – Würdigung, EuGH, Az. C-461/13)
Weiterhin heißt es in den Schlussanträgen des Generalanwalts, „dass weder der Wortlaut noch der Zweck der WRRL für die […] Theorie einer erheblichen Verschlechterung, […], das Bestehen einer Bagatellschwelle bestätigen können.“ (Pkt. 108., Teil IV – Würdigung, EuGH, Az. C-461/13). Allerdings sagte der Gutachter auch, dass es Ausnahmen für Projekte von „übergeordnetem öffentlichen Interesse“ gebe.
Häufig folgt das Gericht den Schlussanträgen des Generalanwalts. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten (Frühjahr 2015) erwartet.
Was heißt das für den konkreten Fall?
Dazu, ob es sich bei der Rechtssache des Weserausbaus um eine Ausnahme aufgrund von „übergeordnetem öffentlichen Interesse“ handelt, äußert sich Jääskinen nicht. Allerdings legt er in seinen Erläuterungen deutlich dar, dass die Weservertiefung dem Verbot der Verschlechterung des Zustands von Wasserkörpern nach Artikel 4 der Wasserrahmenrichtlinie zu unterwerfen sei und bezieht sich damit direkt auf den Parteivortrag von BUND und der deutschen Regierung. (vgl. Artikel „Legal Tribune Online“)
Im Verfahren um die Vertiefung der Elbe bis Hamburg wird ebenfalls gestritten, die deutschen Richter warten auch hier auf die Stellungnahme der EuGH-Richter zur Weservertiefung. Die Entscheidung in der Sache des Rechtsstreits um den Weserausbau hat eine Signalwirkung für viele Flüsse (siehe BUND-Hamburg). Zum Verfahren um die Elbvertiefung bemerkt der BUND: „Der Verlauf des gesamten Planungsverfahrens seit 2007 zeige, wie nötig es sei, die deutsche Flusspolitik neu auszurichten. Alle als Bundeswasserstraße genutzten Flüsse in Deutschland sind in einem schlechten oder mäßigen ökologischen Zustand, die Elbe ist hier keine Ausnahme.“ (Pressemitteilungen BUND Hamburg)
? hier das Video zur Verkündung des Ergebnisses der Schlussanträge des Generalanwalts Niilo Jääskinen vom 23.10.2014: European Court of Justice opinion C-461/13 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
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