Lockwitzbach/ Dresden
Am vergangenen Wochenende war ich am Lockwitzbach unterwegs – das Juni-Hochwasser 2013 hat dort einerseits sehr eindrucksvolle naturnahe Strukturen wie Kiesbänke, Kolke, Umläufer etc. entstehen lassen. Andererseits sind auch hier wieder etliche Schäden am Gewässer entstanden, wie beispielsweise Uferabbrüche in der Nähe zu Infrastruktureinrichtungen, die wohl so nicht belassen werden können.
Die Frage ist nun, wie mit diesen Schäden im Zuge der Hochwasserschadensbeseitigung 2013 umgegangen wird. Werden sich die aus Sicht der EG-WRRL heute kaum noch nachvollziehbaren Sünden der Hochwasserschadensbeseitigung von 2002 wiederholen und erneut der Steinsatz bzw. die Schwergewichtsmauer die bevorzugten Bauweisen sein?
Werden wir 2013 die Fehler von 2002 wiederholen?
Ich denke, es besteht Grund zu einem vorsichtigen Optimismus, dass diesmal mehr auf naturgemäße und nachhaltige Formen der Schadensbeseitigung zurück gegriffen wird. Meinen Optimismus nehme ich aus Beobachtungen wie dieser: An einem sehr stark angeströmten Prallhang des Lockwitzbaches unterhalb der Ortslage Kreischa bin ich auf eine etwas unkonventionelle, aber offensichtlich sehr effektive Form der Spreitlage gestoßen. Die eingebauten Weidenäste sind mit diagonal über die Böschung verlaufenden Riegelhölzern befestigt. Also nicht wie sonst üblich mit Riegelhölzern, die parallel zur Wasseroberfläche angordnet sind. Diese Form der Bauweise scheint sehr hohen hydraulischen Belastungen stand zu halten, denn immerhin hat die Spreitlage das Juni – Hochwasser 2013 in sehr exponierter Lage trotz Initialstadium unbeschadet überstanden und wächst munter weiter, wie folgende Video-Sequenz zeigt:
Ohne die Details zu kennen, schätze ich das Alter der Spreitlage höchstens auf sechs bis acht Wochen – sie wurde also vermutlich unmittelbar vor dem Hochwasser eingebaut und hat trotzdem Stand gehalten. Dem Planer bzw. Bauherrn dazu herzlichen Glückwunsch!
Nun wird sich der Wirkungsgrad der Spreitlage weiter verbessern und die aufwachsenden Weiden werden dort die Lücke im Ufergehölzbestand des Lockwitzbaches schnell schließen. Ein schönes Beispiel, wie ingenieurbiologische Bauweisen zur Schadensbeseitigung eingesetzt werden können!
Ingenieurbiologie ist Stand der Technik!
Es bleibt zu hoffen, dass sich die Ingenieurbiologie in der nun anstehenden oder bereits laufenden Hochwasserschadensbeseitigung weiter durchsetzt und breite Anwendung findet. Die Voraussetzungen dazu sind so gut wie nie – es gibt inzwischen viele gute Beschreibungen über ingenieurbiologische Bauweisen…
Stellvertretend seien hier beispielsweise das europäische Bautypenbuch (ZEH, H. (2007): Ingenieurbiologie – Handbuch Bautypen. Zürich. – siehe auch Schweizer Verein für Ingenieurbiologie) und natürlich der umfangreiche Ideenpool sowie das Entscheidungsunterstützungssystem in der Software für Ingenieurbiologie SOFIE® genannt (Demovideo „SOFIE® entdecken“).
Zu guter letzt gelten noch immer die Erlasse des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL):
- zur Anwendung ingenieurbiologischer Bauweisen
SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR UMWELT UND LANDWIRTSCHAFT (SMUL) (2004): Erlass zur Anwendung ingenieurbiologischer Bauweisen im Wasserbau. Aktenzeichen 44-8960 70/6, 18. Oktober 2004, Dresden. - sowie der Anwendungserlass zu ingenieurbiologischen Bauweisen im Wasserbau
SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR UMWELT UND LANDWIRTSCHAFT (SMUL) (2006): Anwendungserlass „Handbuch zur Anwendung ingenieurbiologischer Bauweisen im Wasserbau“. Aktenzeichen 44-8960.20/07, 21. August 2006, Dresden.
- Renaturierung der Fluss- und Auenlandschaft bei Bautzen - 5. September 2024
- Gewässerrenaturierung schafft Lebensräume – auch für Menschen! - 26. August 2024
- Erfolge des Agroforst-Projekts in Peickwitz - 20. Juni 2024
Gratulation zu diesem wunderbaren Blog und zu den sehr interessanten Fallbeispielen. Ich hoffe, dass sich die Anwendung von ingenieurbiologischen Bauweisen zum Wohle unserer sächsischen Fließgewässer (und deren Anwohner) manifestiert. Ingenieurbiologie und effektiver Hochwasserschutz müssen auch gerade in einer Kulturlandschaft keinen Widerspruch darstellen.
Hallo Herr Felix,
vielen Dank für Ihr Feedback zum Gewässerblog! Ich nehme Ihren Kommentar als Motivation, weiter interessante Beiträge rund um das Thema „naturnahe Gewässerentwicklung“ zu schreiben. Angesichts der laufenden Diskussionen zum Umgang mit dem Hochwasser 2013 und den damit verbundenen Auswirkungen auf unsere Gewässer liegt da eine spannende Zeit vor uns. Ich freue mich darauf, weiterhin von Ihnen zu hören!
Viele Grüße und viel Spass beim Engagement für naturnahe Gewässer,
Andreas Stowasser
Hallo Andreas,
habt ihr, z.B. in Kurven auch Lenkbuhnen angewendet? Wenn nicht, lohnt sich ein Test allemal.
Herzlich grüßt
Ludwig
Hallo Ludwig,
vielen Dank für Deinen Kommentar im GewässerBlog. Deine Anmerkungen zu den Buhnen sind genau richtig. Wo immer es geht, baue ich Buhnen als Strömungslenker und zur Strukturverbesserung ein. Mit Matthias Mende, der ja über die Prinzipien des Instream-River-Training forscht und veröffentlicht, stehe ich in regem Kontakt.
Die von uns gebauten Buhnen haben sich auch wieder beim Hochwasser im Juni 2013 bestens bewährt. Vgl. Blogbeitrag zur Göltzch in Mylau – wo trotz Katastrophenhochwasser die Buhnen nicht nur gehalten haben, sondern sich im Zuge des Hochwassers sogar noch vielfältigere Strukturen (Anlandungen, Tiefenvarianz in der Gewässersohle etc.) entwickelt haben.
Meine Erfahrung ist, dass gerade die Kombination mit Lebendmaterial bei den Buhnen zu einem quasi selbst verstärkendem Effekt führt, durch den Eigendynamik und Strömungslenkung sich im Laufe der Zeit immer besser ausprägen. Vor fast 10 Jahren habe ich die ersten größeren Buhnen am Lungwitzbach zwischen Niederlungwitz und Glauchau gebaut. Ein paar Fotos dazu findest Du auf meiner Homepage von Stowasserplan (siehe Link: Lungwitzbach zwischen Niederlungwitz und Glauchau). Die Buhnen dort sind heute kaum noch als solche erkennbar und der Lungwitzbach hat sich sehr naturnah und strukturreich entwickelt.
Ein weiteres Beispiel für Lebendbuhnen in Kombination mit Fischunterständen findest Du an der Großen Mittweida – Fotos dazu auch auf der Homepage von Stowasserplan (siehe Link: Große Mittweida). Schäden gab es an beiden Gewässerabschnitten 2013 keine.
Bis bald, viele Grüße aus Radebeul
Andreas Stowasser